Haftungsverteilung bei „halber Vorfahrt"

22.06.2017

Wenn an einer Kreuzung die Vorfahrt nicht gesondert geregelt ist, haben alle Verkehrsteilnehmer dem jeweils von rechts kommenden Verkehrsteilnehmern die Vorfahrt zu gewähren. Diese Situation wird mit dem Begriff „halbe Vorfahrt" umschrieben.

Wenn an einer Kreuzung die Vorfahrt nicht gesondert geregelt ist, haben alle Verkehrsteilnehmer dem jeweils von rechts kommenden Verkehrsteilnehmern die Vorfahrt zu gewähren. Diese Situation wird mit dem Begriff „halbe Vorfahrt" umschrieben.

Das Kammergericht Berlin (Az.: 29 U 45/15) hatte zu entscheiden, ob den vorfahrtsberechtigten Kläger bei einem Unfallgeschehen mit einem Wartepflichtigen an einer derartigen Kreuzung ein Mitverschulden trifft, weil er vor Befahren der Kreuzung die Geschwindigkeit des von ihm geführten Fahrzeuges nicht verringerte, um notfalls aus seiner Sicht von rechts kommenden Fahrzeugen die Vorfahrt zu gewähren.

Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass ein Vorfahrtsberechtigter darauf vertrauen kann, dass der Wartepflichtige seine Vorfahrt beachtet. Daher tritt grundsätzlich auch eine mögliche Betriebsgefahr des bevorrechtigten Fahrzeuges hinter das Verschulden des Wartepflichtigen zurück. Das Gericht hat jedoch deutlich gemacht, dass der an sich Vorfahrtsberechtigte, weil er seinerseits dem im Verhältnis zu ihm von rechts Kommenden Vorfahrt gewähren muss, sich der Kreuzung ebenfalls mit mäßiger Geschwindigkeit zu nähern und darauf einzustellen hat, notfalls rechtzeitig anhalten zu können. Nach Auffassung des Kammergerichts Berlin dient die als „halbe Vorfahrt" bezeichnete Situation sodann auch dem Schutz des von links kommenden Wartepflichtigen. Diese Pflicht des Vorfahrtsberechtigten gilt nach Auffassung des Kammergerichts jedoch nur für nach rechts schlecht einsehbare Kreuzungen. Wenn der „halb" Vorfahrtsberechtigte die für ihn von rechts einmündene Straße rechtzeitig und weit genug einsehen kann, ist nach den Darstellungen des Kammergerichtes Berlin die Lage für ihn ähnlich übersichtlich, wie wenn er eine Vorfahrtsstraße befährt. Er kann in diesem Fall auf die Beachtung seines Vorfahrtsrechts auch ohne Verringerung der zulässigen Geschwindigkeit vertrauen. Deswegen scheidet nach der Auffassung des Kammergerichts Berlin eine Anrechnung der Betriebsgefahr des Vorfahrtsberechtigten bei einer gut nach rechts einsehbaren Kreuzung aus.

Die vorgenannte Entscheidung zeigt jedoch, dass bei einer Haftungsverteilung nach einem Unfallgeschehen stets auf die Besonderheiten des Einzelfalls zu achten ist.

-RA Peters-

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