Mithaftung trotz "halber Vorfahrt"?

03.01.2017

Das Kammergericht Berlin (Az. 29 U 45/15) hatte sich mit der Haftungsfrage infolge eines Verkehrsunfallereignisses auseinander zu setzen. Der Kläger befuhr bei dem gegenständlichen Unfallgeschehen eine Kreuzung, für welche die Vorfahrt nicht durch Verkehrszeichen gesondert geregelt war.

Das Kammergericht Berlin (Az. 29 U 45/15) hatte sich mit der Haftungsfrage infolge eines Verkehrsunfallereignisses auseinander zu setzen. Der Kläger befuhr bei dem gegenständlichen Unfallgeschehen eine Kreuzung, für welche die Vorfahrt nicht durch Verkehrszeichen gesondert geregelt war. Es galt aufgrund dessen die Vorfahrtsregelung "rechts vor links". Der Beklagte fuhr ebenso in die Unfallkreuzung ein, ohne jedoch auf den von rechts kommenden vorfahrtsberechtigten Kläger zu achten. Aufgrund dessen kam es zum Unfallgeschehen.

Das Kammergericht Berlin hatte nunmehr zu entscheiden, ob dem Kläger gegebenenfalls ein Mitverschulden trifft, weil er vor Befahren der Kreuzung die Geschwindigkeit des vom ihm geführten Fahrzeuges nicht verringerte. Das Gericht hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass ein Vorfahrtsberechtigter darauf vertrauen kann, dass der Wartepflichtige seine Vorfahrt beachtet. Daher tritt grundsätzlich auch eine mögliche Betriebsgefahr des bevorrechtigten Fahrzeuges hinter das Verschulden des Wartepflichtigen zurück. Das Kammergericht Berlin hat jedoch ebenso deutlich gemacht, dass der an sich Vorfahrtsberechtigte, weil er seinerseits dem im Verhältnis zu ihm von rechts Kommenden Vorfahrt gewähre muss, sich der Kreuzung ebenfalls mit mäßiger Geschwindigkeit zu nähern und sich darauf einzustellen hat, notfalls rechtzeitig anhalten zu können. Nach Auffassung des Gerichts dient diese als "halbe Vorfahrt" bezeichnete Situation sodann auch dem Schutz des von links kommenden Wartepflichtigen. Diese Pflicht des Vorfahrtsberechtigten gilt nach Auffassung des Kammergerichts jedoch nur für nach rechts schlecht einsehbare Kreuzungen. Wenn der "halb" Vorfahrtsberechtigte die für ihn von rechts einmündende Straße jedoch rechtzeitig und weit genug einsehen kann, ist nach den Darstellungen des Kammergerichtes Berlin die Lage für ihn ähnlich übersichtlich, wie wenn er eine Vorfahrtsstraße befährt. Er kann deswegen auf die Beachtung seines Vorfahrtsrechtes auch ohne Verringerung der zulässigen Geschwindigkeit vertrauen. Deswegen scheidet nach der Auffassung des Kammergerichtes Berlin eine Anrechnung der Betriebsgefahr des Vorfahrtsberechtigten bei einer gut nach rechts einsehbaren Kreuzung aus.

Gleichwohl zeigt die vorgenannte Entscheidung, dass es bei der Haftungsverteilung nach einem Unfallereignis stets auf die Besonderheiten des Einzelfalles ankommt. Es empfiehlt sich daher regelmäßig die Zuhilfenahme anwaltlicher Unterstützung bei der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche nach einem Unfallgeschehen.

RA Peters

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