Haftungsverteilung bei der Kollision eines Linksabbiegers mit einem entgegenkommenden Fahrzeug

20.05.2019

Das Kammergericht Berlin (Az.: 22 U 122/17) hatte sich mit der Frage zu befassen, welche Haftungsverteilung anzunehmen ist, wenn ein wartepflichtiger Pkw-Fahrer beim Linksabbiegen mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidiert. Die Besonderheit dieses Unfallgeschehens war, dass der entgegenkommende Fahrzeugführer die örtlich zulässige Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritt und anstatt der zulässigen 50 km/h mindestens 80 km/h fuhr.

Nach Auffassung des Kammergerichts Berlin wird der sogenannte Anscheinsbeweis der Verletzung der Wartepflicht seitens des Linksabbiegers durch die überhöhte Geschwindigkeit des Bevorrechtigten nicht erschüttert und schränkt auch den Vorrang des entgegenkommenden Verkehrs nicht ein, da der Wartepflichtige nur fahren kann, wenn er übersehen kann, dass der Vorfahrtsberechtigte weder gefährdet noch wesentlich behindert wird. Es ist nach Auffassung des Gerichts nicht erlaubt, knapp vor dem Herannahenden noch abzubiegen. Selbst wenn der Gegenverkehr objektiv betrachtet nicht abbremsen müsste, darf der Abstand nicht so knapp bemessen werden, dass im Hinblick auf ein denkbares verzögertes Anfahren oder erzwungenes Stehenbleiben, bspw. wegen zuvor übersehener Fußgänger oder Radfahrer, das Abbiegen unnötigerweise potenziell riskant oder gefährdend ist, zumal selbst bloße Behinderungen oder Belästigungen auszuschließen sind.

 Im Ergebnis dessen ist das Gericht von einem erheblichen Mitverschulden des grundsätzlich wartepflichtigen Linksabbiegers ausgegangen. Da der entgegenkommende Fahrzeugführer die örtlich zulässige Höchstgeschwindigkeit jedoch erheblich überschritt, hat das Gericht dessen Mithaftung mit einer Quote von 2/3 angesehen.


Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin zeigt, dass jedes Unfallgeschehen als Einzelfall zu behandeln ist. Es empfiehlt sich daher grundsätzlich die frühzeitige Zuhilfenahme anwaltlicher Unterstützung, um seine Schadenersatzansprüche nach einem Unfallgeschehen gegenüber der Gegenseite durchsetzen zu können.

 

RA Peters

 

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